Montag, der 30. März 2015

Preiswürdig: Blind einkaufen mit SOVI

SOVI - Produkt-Design1

[Design-Entwurf: Vladimir Maier]

Mit geschlossenen Augen kann keiner von uns einen Joghurtbecher von einem Becher Buttermilch unterscheiden und wir können auch nicht erfühlen, ob wir eine Packung Hartweizengrieß in der Hand haben oder Spülmaschinensalz. Wie also kann man einkaufen, wenn man blind ist? Dieser Frage geht Meike Seidel im Rahmen ihres Masterstudiums im Fachbereich Design und Medien nach. Und einen Preis hat sie dafür auch schon bekommen – den Newcomer Innovationspreis Altenpflege 2015!

Innovationspreis Meike Seidel

Zusammen mit Vladimir Maier, der als Produktdesigner maßgeblich beim Design-Entwurf geholfen und die Visualisierungen erstellt hat, konnte sie die Jury mit SOVI beeindrucken, einem Produkt, das aus ihrer Arbeit für den MA-Studiengang in Hannover entstanden ist. Die Masterstudentin wurde von dem Innovationspreis wirklich überrascht: „Ich nicht damit gerechnet, diesen Preis tatsächlich zu gewinnen, weil die Idee dahinter erst mal so utopisch klingt. Aber da gibt es Leute im Masterstudium, die mit mir davon überzeugt sind und die mir zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Impulse gegeben haben.“

SOVI ermöglicht sehbehinderten und blinden Menschen das Einkaufen von Supermarkt- und Drogerie-Artikeln auch ohne die Hilfe von Begleitpersonen. Nötig wäre für die tatsächliche Umsetzung lediglich eine geringfügige Anpassung der Verpackungsbedruckungen.

Mit SOVI (kurz für „sonic view“) wurde die Idee eines Armbands entwickelt, das Informationen lesen und mithilfe einer App in Audio-Signale übersetzen kann – es kann also vorlesen. Getragen wird das SOVI-Armband ganz einfach am Handgelenk. Im Lebensmittelgeschäft kann es mit einer einfachen Bewegung zum Handteller gezogen werden, den Lesekopf in dessen Mitte. Ein magnetischer Verschluss ermöglich ein stufenloses Anpassen an den benötigten Umfang.

Beide Hände bleiben dabei frei und beim Griff zum Produkt nimmt der Lesekopf das auf die Verpackung aufgedruckte Punktmuster auf, in dem alle Informationen enthalten sind. Es ist für das menschliche Auge nicht sichtbar und bedeutet daher keine Einschränkungen für die sehende Kunden und auch keine sichtbare Änderung des Print-Layouts für den Hersteller. Da der gesamte bedruckte Bereich der Verpackung flächendeckend mit diesem Punktmuster versehen wird, ist nur ein Griff Richtung Produkt nötig und die Informationen werden über Kopfhörer ins Ohr des blinden oder sehbehinderten Menschen übertragen. Bisher auf dem Markt erhältliche Hilfsmittel zielten darauf ab, den Barcode auf der Verpackung zu finden, was in Anbetracht der visuellen Einschränkung der potenziellen Nutzer kaum sehr sinnvoll erscheint.

Design und Produktidee ergänzen sich perfekt

Der Induktions-Akku dient dem kabellosen Aufladen des Armbands an der heimischen Ladestation; umständliches Suchen der Steckverbindung soll visuell eingeschränkten Menschen damit erspart bleiben. Das Design des Armbands erfüllt ergonomische wie funktionale Vorgaben: Um nicht zu stören müssen alle Elemente klein bleiben, gleichzeitig die Beweglichkeit gerade beim Tragen in der Handinnenfläche gegeben sein. Neben dem Lesekopf sind Datenspeicher, Induktions-Akku und Bluetooth-Sender unterzubringen.

SOVI - so geht es - Produkt-Design

Mit SOVI und der Anpassung aller Verpackungen wäre eine wichtige Hürde für blinde Menschen genommen – sie könnten Produktinformationen selbständig aufnehmen und ohne Hilfe die gewünschten Artikel aussuchen. Doch eine Frage bleibt vorerst offen: Wie findet der blinde Mensch das richtige Regal? Mit dieser Frage beschäftigt sich der zweite Teil der Masterarbeit, in dem ein innovatives Leitsystem erdacht und visualisiert werden wird. Und auch über die Erweiterung des Systems wird nachgedacht: Anpassungen von Tickets und Eintrittskarten, Etiketten an anderen Produkten wie Kleidung oder Einrichtungsgegenstände sowie von Kredit- oder Bonuskarten sind denkbar.